Ein Gespräch von J.Z. mit S.P.

Katalogtext von Judith Zillich, 2001


S.P.: Warum wählst Du für die Umsetzung Deiner Selbstportraits das Medium der Malerei?


J.Z.: Das Anziehende an diesem Medium ist für mich das Unzeitgemäße: die zeitaufwendige Herstellung eines nicht reproduzierbaren Einzelstücks. Die Malerei ist ein völlig anarchistisches Medium, denn von der Herstellung der Leinwand bis zum letzten Pinselstrich kann ich ganz alleine darüber verfügen, was auf und mit der Leinwand passiert, unabhängig von technischen Einrichtungen, ohne Labor, ohne großen Kostenaufwand und ohne Hilfe von Fachleuten. Außerdem drückt sich in der Malerei zur Wahrnehmung der rein optischen Bildrealität zusätzlich unvermeidlich eine innere, emotionale Wahrnehmungsrealität aus. Die Divergenz zwischen Objektivem und Subjektivem scheint unendlich viele Umsetzungsmöglichkeiten zu beinhalten. Dieser Spielraum fasziniert mich und macht mich neugierig: wie weit kann ich gehen?

Die Malerei entwickelt sich zu einer eigenwilligen Persönlichkeit, die nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten lebt, die zu begreifen und unterwerfen zu wollen man süchtig wird, ohne je zu wissen, ob man nicht das Opfer seiner eigenen Malerei geworden ist und somit selbst von der Malerei unterworfen wird.

S.P.: Du arbeitest also ohne weitere Hilfsmittel völlig auf dich gestellt und verwendest außerdem auch dich selbst als Modell: ist das nicht einengend?

J.Z.: Ja schon, aber ich beabsichtige, mir sehr engen Spielraum zu geben, um innerhalb sehr eng gesteckter Grenzen in die Tiefe zu gehen oder durch die Wiederholung des Immergleichen mir etwas bewußt zu machen. Für mich ist eine künstlerische Entwicklung nur durch konsequente Wiederholung möglich.

Die Wiederholung bezieht sich auch auf den Malprozeß selbst, denn ohne es genau begründen zu können, übermale ich oft ein scheinbar fertiges Bild immer wieder, bis sich plötzlich die Sicherheit einstellt, daß der Prozeß abgeschlossen ist. Die Bedürfnisse wiederholen sich.

S.P.: Verwendest du dich als Modell, um dir ein Denkmal zu setzen?

J.Z.: Die Ewigkeit interessiert mich nicht. Mich interessiert mein Leben und meine Wahrnehmung, die ich mit Hilfe von Malerei verdichten will. Aber mein Bedürfnis nach Selbstthematisierung steht immer in Spannung mit meinem Widerwillen und meiner Angst vor Selbstprostituition. Diese Ambivalenz schlägt sich in möglichst knapp gewählten Bildausschnitten nieder. Wie um etwas für mich zu behalten, sind die meisten Portraits abgeschnitten, verwischt, überschrieben oder in eine das Gesicht übertönende Farbfläche gesetzt.

S.P.: Jedes der Portraits vermittelt eine spezifische Atmosphäre und auch immer wieder eigene Ansätze von Lösungsmöglichkeiten für Malerei. Worum geht es dir in der Malerei?

J.Z.: Einerseits um das Spiel von Formen, die sich z.B. aus dem Halsausschnitt, der Frisur und der Kopfdrehung ergeben und andererseits um das Abwägen komplementärer Farbtöne. Um die Frage, wie sich ein Gesichtskörper zwischen Vordergrund- und Hintergrundfläche behaupten kann und mit welchen Methoden ich ein Gesicht wie weit zurücknehmen kann. Wie viel Verfremdung verträgt das Sujet ohne dabei seinen Charakter zu verlieren?

S.P.: Welche Bedeutung hat dabei das Wort oder die Schrift in deiner Arbeit?

J.Z.: Schrift holt eine zusätzliche Bedeutungsebene in das Bild. Zum Beispiel rückt durch das Einritzen des Wortes „Farbe“ in den Hintergrund, dieser in den Vordergrund. Das Wort „Farbe“ wirft in der Farbfläche die Frage auf, was Farbe eigentlich bedeuten kann oder bedeuten soll und zugleich thematisiere ich die Sprachlosigkeit von Farbe und meinen geschlossenen Mund.

Der wiederholte Schriftzug „danke für´s hinschauen“ hingegen thematisiert den Blick des Bertachters.

S.P.: Manche Bilder sind auch nicht beschrieben sondern gezeichnet von dem Muster der Bettwäsche, auf der du zum Teil malst.

J.Z.: Ja, die genähten Teile der Bettwäsche wirken von unten durch das Gesicht durch und haben für mich die Bedeutung einer Tätowierung von innen her.

Judith Zillich, Sommer 2000